Die Struktur des Buches
Das Buch Daniel ist wie jedes andere Buch auch ein Stück Literatur, und Literatur hat immer ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, auf die wir achten sollten, wenn wir sie verstehen wollen. Die hebräische Art, Texte zu verfassen, ist etwas ganz Besonderes. Sie hat ihren eigenen Stil und der zeigt sich auch in diesem faszinierenden Buch.
Das Buch besteht aus zwei Teilen und präsentiert sich als doppelter Chiasmus (eine besondere parallele Anordnung von Aussagen – siehe weitere Erklärung im blauen Kasten weiter unten) mit dem Kapitel 7 im Zentrum, wie es die folgenden Grafiken zeigen:
Chiasmus
Der „Chiasmus“ ist ein besonderes Stilelement in der hebräischen Schreibweise und wird auch Parallelismus genannt. Aussagen (oder ganze Kapitel) werden so gegliedert, dass ihre Parallelität erkennbar wird. Eine passende Illustration ist die Bergbesteigung. Wenn ich den Berg besteige, sehe ich bestimmte Wegmarken, und wenn ich wieder vom Berg absteige, finde ich wieder dieselben Wegmarken vor. Da der griechische Buchstabe Chi wie ein X aussieht und damit eine passende Bezeichnung für diese Sprachform ist, hat sich der Name „Chiasmus“ dafür etabliert.
Hier noch einmal der Überblick zur Gliederung des Buches:
Kapitel 1 ist die Einleitung zum gesamten Buch und enthält die Hauptthemen des Buches.
Der erste Teil des Chiasmus besteht aus diesen Kapitel-Paaren: 2 ist parallel zu 7; 3 ist parallel zu 6 und 4 ist parallel zu 5
Der zweite Teil besteht aus diesen Kapitel-Paaren: 7 ist parallel zu 12; 8 ist parallel zu 11 und 9 ist parallel zu 10.
Diese Parallelen sind am Inhalt und an verwendeten Wörtern erkennbar.
Diese Gliederung, die bereits im Überblick der Kapitel Parallelen offenbart, kann zum einen helfen, den Inhalt besser zu erfassen, und zum anderen, die Schwerpunkte zu erkennen, die der Verfasser des Buches bewusst gesetzt hat. Dabei wird von vornherein deutlich, welche inhaltlichen Gemeinsamkeiten die Kapitel aufweisen. Hier ein kurzer Überblick:
Kapitel 2
Der Traum vom Standbild
Vier Weltreiche
Reich Gottes
Kapitel 7
Vision von vier Tieren
Vier Weltreiche
3 ½ Zeiten
Reich Gottes
Kapitel 12
Vision von 2 Engeln und Mann in Leinen gekleidet
3 ½ Zeiten
Volk der Heiligen wird gerettet (Reich Gottes)
In der ersten Hälfte des Buches haben die Kapitel 3 und 6 sowie die Kapitel 4 und 5 einige deutliche Parallelen:
Kapitel 3
Zwang zur Anbetung eines Standbilds
Androhung des Todes
Drei Hebräer bleiben Gott treu
Ein Wunder rettet sie aus dem Feuerofen
Kapitel 6
Zwang zur Anbetung eines Königs
Androhung des Todes
Daniel bleibt Gott treu
Ein Wunder rettet ihn aus der Löwengrube
Kapitel 4
Traum des Königs
Nur Daniel kann ihn deuten
Urteil wird vollstreckt
Der König bekehrt sich zum wahren Gott
Kapitel 5
Erscheinung einer Schrift an der Wand
Nur Daniel kann sie deuten
Urteil wird angekündigt
Der König reagiert nicht auf die Warnung
Der König kommt um
In der zweiten Hälfte des Buches weisen die Kapitel 8 und 11 sowie Kapitel 9 und 10 deutliche Parallelen auf:
Kapitel 8
Macht namens „Kleines Horn“
Nimmt das „Tägliche“ weg
Verwüstet das Heiligtum
Wirft die Wahrheit zu Boden
Kapitel 11
Macht namens „König des Nordens“
Schafft das „Tägliche“ ab
Entweiht das Heiligtum
Verführt zum Abfall vom Bund mit Gott
Kapitel 9
Vision mit Botschaft eines Engels
Daniel, von Gott geliebt
Ankündigung des Messias und seines Todes
Ende des Frevels, ewige Gerechtigkeit
Kapitel 10
Vision mit Botschaft eines Engels
Daniel, von Gott geliebt
Erscheinung eines Mannes in Leinen (Messias)
Großer Kampf und Sieg
Diese Parallelen und Bezüge in den Kapiteln des Buches lassen erkennen, worum es dem Verfasser geht. Diese Bezüge sind gewollt und nicht zufällig, weil durch solche Wiederholungen Botschaften verstärkt werden. Insgesamt geht es im Buch Daniel um einen großen Kampf zwischen Gott und heidnischen und antigöttlichen Mächten, verbunden mit dem eindringlichen Appell, Gott unter allem Umständen treu zu bleiben.