Die andere Richtung
Es war in einem dunklen Wald draußen, so ungefähr um Mitternacht, als Gott ganz deutlich zu mir gesprochen hat. Aber fangen wir ganz von vorne an.
Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof im Emmental/Schweiz hatte ich mit fast dreißig Jahren eigentlich alles, was ich brauchte. Nur etwas fehlte mir, eine treue Lebensgefährtin. Meine gleichaltrigen Schulkameraden waren längst alle verheiratet. Eines Tages sagte mein Vater zu mir: „Mit dir ist nichts los! Alle anderen haben längst eine Familie, und du hast nicht mal ein Mädchen.“ Das hat mich tief getroffen. Mein Selbstwertgefühl war sowieso schon angeschlagen, und so dachte ich: ‚Vielleicht ist wirklich nichts los mit dir.‘
Gott, die Bibel und Fragen nach dem Sinn des Lebens haben mich schon immer interessiert. Aber immer wenn ich mit einem Mädchen ein Gespräch über Gott oder die Bibel anfing, war das zugleich auch das Ende der Freundschaft. Dazu zwei Beispiele:
Als ich mit einem Mädchen über den Thuner See ruderte, sagte ich zu ihr: „Wie wunderbar ist doch die Natur! Wenn ich die Natur anschaue, kommt mir immer der Gedanke: Wer hat das alles gemacht?“. Sofort kam die Frage: „Bist du etwa bei einer religiösen Gemeinschaft?“ Ich verneinte, worauf sie sagte, das sei schon besser, sonst wäre sie jetzt gleich ins Wasser gesprungen – und wieder war eine Freundschaft zu Ende.
Einige Zeit später lernte ich ein Bauernmädchen kennen. Als wir uns wegen grundlegend gegensätzlicher Ansichten trennten, bekam ich auf mein „Hoffentlich sehen wir uns einmal da oben!“ ein „Hoffentlich gehst du mal zum Teufel!“ zu hören. Das traf mich wirklich hart.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich mutlos und total niedergeschlagen draußen im Wald um Mitternacht mein Auto anhielt und Gott um Hilfe bat. Ich war an einem absoluten Tiefpunkt angelang, hatte keine Freude mehr am Leben, und Mädchen hatte ich jetzt auch genug.
Da nahm ich meine Bibel aus dem Handschuhfach und stieß auf den Text Matthäus 6,33 „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch solches alles zufallen.“ Da war mir, als hätte Gott den Nagel auf den Kopf getroffen.
Von diesem Moment an wollte ich mit meinem Glauben ernst machen. Ich hatte damals schon Kontakt mit der Adventgemeinde, blieb aber auf Distanz. Doch jetzt besuchte ich regelmäßig den Gottesdienst und ließ mich taufen. Ein halbes Jahr später empfand ich den Wunsch, auf die Missionsschule nach Bogenhofen zu gehen, um die Bibel besser kennen zu lernen.
Das war für mich schon etwas Außergewöhnliches, als „verknorzter Emmentaler“ auf eine Missionsschule zu gehen. Ich war noch nie von zu Hause fort gewesen und wusste auch nicht, was mir solch ein Bibelkundejahr bringen würde. Außerdem war mein Vater gegen meine Pläne.
In Bogenhofen angekommen, schaute ich mir zuerst das Schulgelände an. Als ich die Aula betrat, wischte gerade ein Mädchen mit einem Lappen den Staub von den Stühlen und Bänken. Ich sagte zu ihr: „Grüss dich, woher kommst du?“ Sie
antwortete: „Vom Schwarzwald.“ Sie sei ein Schwarzwaldmädchen und heiße Brigitte.
Sie war mir von Anfang an sympathisch, und auch sie konnte mich recht gut leiden.
Heute ist dieses Schwarzwaldmädchen meine liebe Frau, und ich habe sie immer noch gern. Wir wohnen mit unseren beiden Töchtern auf dem elterlichen Bauernhof. Dem Herrn sei Lob und Dank, er hat alles wohl gemacht.
Gott weiss ganz genau, was wir im Leben brauchen, und er ist bereit, uns das auch zu geben – aber unter einer Bedingung: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit ...“ (Matthäus 6,33) Der Herr will den ersten Platz in unserem Leben. Wenn wir bereit sind, ihm diesen Platz einzuräumen, wird er dafür sorgen, dass seine Verheißungen sich erfüllen. Auch wenn das nicht immer unseren Wünschen und Vorstellungen entsprechen sollte, so wird es doch das Beste für uns sein.
Fankhauser W. aus Rüegsau (Schweiz)