Wurde die Bibel von Gott diktiert?
„Die Bibel ist Gottes Wort in menschlicher Gestalt.“
Über die Vertrauenswürdigkeit der Bibel sind schon zahlreiche Bücher geschrieben worden. Einige Theologen behaupten, die Bibel bestehe aus Legenden, die sich Menschen ausgedacht hätten. Andere meinen, sie sei von Gott wörtlich diktiert worden. Manche sagen, die Schreiber der Bibel hätten den Eindruck gehabt, Gott sei ihnen nahe. Ihre eigenen Gedanken hätten sie in diesem Augenblick als Gottes Botschaft verstanden.
Laut dem Zeugnis der Bibel offenbarte Gott jedoch dem Menschen, den er zum Propheten auserwählte (jemand, der für Gott spricht), Wahrheiten und Fakten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dabei benutzte er stets die Kultur der angesprochenen Menschen, ihre Denkweise und die ihnen bekannten Begriffe. Deshalb spielt die zeitgeschichtliche Situation manchmal eine wichtige Rolle bei der Auslegung der Bibel.
Was Gott offenbarte, wurde vom Propheten mit eigenen Worten niedergeschrieben. Deshalb gibt es zwar einen roten Faden, aber keinen einheitlichen Schreibstil in der Bibel. Gott beeinflusste den Propheten bei der Niederschrift oder mündlichen Verkündigung durch den Heiligen Geist und überwachte ihn, damit er nichts Falsches sagen oder schreiben konnte. Das nennt man Inspiration (von lat. inspirare, d. h. einhauchen, vgl. 2. Timotheus 3,16). Durch sie wird der Prophet befähigt, die Offenbarungen Gottes vertrauenswürdig weiterzugeben.
Die Geschichte von Mose und Aaron in 2. Mose 4,14-16; 7,1.2 zeigt gleichnishaft, wie Offenbarung und Inspiration ablaufen. In dem geschilderten Rollenspiel stellt Mose „Gott" dar, während Aaron als „Prophet" bezeichnet wird. Der Empfänger ihrer Botschaft ist der ägyptische Pharao. Mose teilt seinem „Propheten" Aaron eine Botschaft mit. Aaron übersetzt sie ins Ägyptische. Dabei verwendet er seine eigenen Vokabeln, sonst hätte Mose selbst reden können. Mose wiederum überwacht und kontrolliert die richtige Wiedergabe seiner Botschaft, um sie nötigenfalls zu korrigieren.
Übertragen wir dieses Rollenspiel auf die Botschaft eines Propheten: Nicht der Wortlaut seiner schriftlichen oder mündlichen Verkündigung ist inspiriert (von Gott eingegeben), sondern der Prophet. Er wird bei der Weitergabe der Offenbarung Gottes durch den Heiligen Geist beeinflusst. Er wird mit Gedanken erfüllt, die er mit eigenen Worten wiedergibt. Der Geist Gottes und der Geist des Menschen verbinden sich, sodass die Worte des Propheten zum Wort Gottes werden (vgl. 2. Petrus 1,20.21).
Dieses Inspirationsverständnis ermöglicht uns auch die Übersetzung der Bibel. Hätte Gott sie wortwörtlich diktiert, dürfte sie nicht übersetzt werden, weil jede Übersetzung eine Verfälschung darstellen würde. Weil es aber nicht um die Buchstaben, sondern um den richtig wiedergegebenen Inhalt geht, können wir die Bibel in unsere Sprache übersetzen.
Genau genommen kann man also sagen: Die Bibel ist Gottes Wort in menschlicher Gestalt. Sicherlich wurde deshalb auch Jesus „Wort Gottes" genannt. Er sprach nämlich als Gott in menschlicher Gestalt persönlich mit den Menschen. Deshalb konnte er Gottes Willen am besten erklären.