Wie ist der Begriff "Menschensohn" zu verstehen? Jesus spricht bei diesm Begriff immer in der 3. Person. Gibt es eine Herleitung aus dem AT und hat der Begriff eine Wandlung erfahren?
Der Begriff „Menschensohn", den Jesus verwendet, stammt aus Daniel 7,13.14, wo jemand wie eines Menschen Sohn mit den Wolken des Himmels kommt und vor dem „Uralten" gebracht wird, der Gericht hält (der „Uralte" ist eine symbolische Umschreibung Gottes, weil er schon immer da ist). Dieser gibt ihm Macht, Ehre und das Reich über alle Völker. Im Aramäischen (manche Abschnitte im Buch Daniel sind in Aramäisch verfasst, eine mit dem Hebräischen verwandte Sprache; Jesus sprach auch Aramäisch) steht hier kebar enasch, wörtlich übersetzt: „wie ein Sohn vom Menschen". Freier kann man auch „wie ein Mensch" übersetzen.
Weil der Menschensohn von Gott Macht, Ehre und das Reich über alle Völker erhält, verstanden die Juden darunter den Messias.
Wenn im Aramäischen der Artikel weggelassen wird („ein Sohn") geht es nicht um die Identität, sondern um die Qualität. Meistens wird im Aramäischen beim ersten Hinweis auf jemanden zunächst der Artikel weggelassen und bei weiteren Erwähnungen der Artikel verwendet (ein Tier, das Tier). Erst werden also die Eigenschaften angesprochen, dann geht es um die Identität. So weiß der Leser bei weiteren Erwähnungen, wer genau gemeint ist. Daniel spricht nun von „ein Menschensohn" und führt damit diesen Begriff ein. Diese Person ist wie ein Mensch, aber wird durch Gott zum Herrscher der Welt gemacht.
Jesus hat dagegen (aramäisch) immer „der Menschensohn" gesagt, wenn er von sich sprach (Identität). Deshalb war seinen Zuhörern sofort klar, dass er sich auf Daniel 7,13.14 bezieht. Mit diesem Begriff macht sich Jesus also zum Messias, der einmal zu Gott gehen und von ihm die Herrschaft über die Welt erhalten wird. Das war den Juden damals klar und ärgerte sie, weil sie sich den Messias anders vorstellten.
Der Begriff „Menschensohn" sagt jedoch nichts darüber aus, dass vorher in Jesus „die Fülle der Gottheit" war (Kol 2,9), dass er „göttliche Gestalt" hatte und „Gott gleich" war und danach Mensch geworden ist (Phil 2,6.7). Jesus ist also kein vergöttlichter Mensch, sondern er war Gott und wurde wie der Sohn eines Menschen.
Der Begriff „Menschensohn" bekommt also durch Dan 7,14 eine neue Bedeutung. Es geht nicht um einen bloßen Menschen, sondern um den zukünftigen Herrscher über die Welt, dem Gott alle Macht überträgt – eben um den Messias.
Lissy H. aus Bad Soden