Welche Stellung hat die Frau in der Bibel?
Als Gott den Menschen schuf, gab es keine graduellen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Sie waren Partner und bildeten zusammen den Menschen (1 Mo 1,27), auch wenn Adam zuerst geschaffen wurde (sicherlich wollte Gott Adam zunächst zeigen, dass Alleinsein nicht so gut ist). Juden pflegen deshalb zu sagen, dass Eva nicht aus dem Kopf des Mannes gemacht wurde, damit sie über ihn herrsche, auch nicht aus seinen Füßen, damit sie ihm untertan sei, sondern aus seiner Seite, damit sie seinem Herzen nahe sei.
Der Sündenfall veränderte diese partnerschaftliche Beziehung. Das über Eva ausgesprochene Urteil in 1 Mo 3,16 ist jedoch ein wenig unglücklich übersetzt worden. Im Hebräischen fehlt nämlich das Wort „soll". Wörtlich heißt es dort: „Zum Mann dein Wenden, und er wird (!) herrschen über dir." Gott gibt hier also keinen Befehl für die Vorherrschaft des Mannes, sondern er sagt voraus, dass in der Zukunft Männer ihre Frauen beherrschen werden.
Das Alte Testament sagt nicht viel über die Stellung der Frau im Volk Israel, doch so viel wird deutlich: Männer spielen die Hauptrolle im öffentlichen Leben, lassen sich aber auch von ihren Frauen bestimmen (Sarah und Abraham; 1 Mo 16,2) oder überlassen ihnen politische Führung (Debora, Ri 4,4-9 – Richter waren damals die politischen Führer; Athalja, 2 Kö 11,3). Frauen werden z. B. auch von Gott als Prophetinnen berufen (z. B. Mirjam, Debora, Hulda; 2 Mo 15,20; 2 Kön 22,14) und von den Männern um Rat gefragt. Ob diese Prophetinnen etwas aufgeschrieben haben, wissen wir nicht. Bei manchen biblischen Büchern wird ja nicht gesagt, wer sie niedergeschrieben hat. Es könnten also auch Frauen gewesen sein. Schreiben konnten damals auch ein Teil der Frauen (aber auch nicht alle Männer).
Durch den Einfluss des Hellenismus verschlechterte sich die Stellung der Frau z. Z. des Neuen Testamentes auch unter den Juden. Die griechische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele vermittelt folgende These: Der Geist des Menschen ist göttlich und ewig, der Körper durch Krankheit und Zerfall nichts wert. Es wäre gut, wenn die Seele gar nicht erst in einen Körper käme. Wer aber bringt den Körper des Menschen hervor? Die Frau! – Als diese Ansicht im 3. Jh. n. Chr. auch in das Christentum eindrang, entstand die Abwertung der Frau und der Sexualität oder die Verherrlichung der Ehelosigkeit.
Jesus hat Frauen immer gewürdigt und deshalb viele Nachfolgerinnen gehabt. Er machte keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Diesen Gedanken führte Paulus in Gal 3,28 weiter aus: Mann und Frau sind vor Gott gleich. Doch weil die Aufwertung der Frau auch dazu führte, dass Christinnen nach neuen Freiheiten und nach Aufhebung gesellschaftlicher Formen verlangten (hauptsächlich in griechischen Gemeinden), kam es zu einer Verunglimpfung des Christentums.
Paulus versuchte nun den griechischen Christen klar zumachen, dass die Gemeinde der Frau keine Stellung geben oder verwehren darf, die die Gesellschaft ihr verwehrt oder gibt, damit der christliche Glaube nicht in Verruf kommt. Er verbietet deshalb, dass die Frau dem Mann Vorschriften macht (1 Tim 2,12 – wörtlich übersetzt) und ihn beherrscht. (Vers 15 wird übrigens von manchen Theologen anders verstanden, weil das Wort „dadurch" eigentlich „durch" oder „hindurch" bedeutet: „Sie werden gerettet werden, ..., wenn sie im Glauben, usw. bleiben." Das ist die Grundaussage. Gott hilft ihnen außerdem durch das mit Schmerzen verbundene Kindergebären hindurch, das ja eine Folge des Sündefalls ist. – Andere Theologen verstehen den Text wie folgt: Wenn Frauen im Glauben usw. bleiben und ihre von Gott gegebene Aufgabe als Mütter nachkommen, werden sie gerettet werden. Gleiches gilt hier natürlich auch für die Männer: Wer an Jesus glaubt, aber seinen Pflichten als Vater nicht nachkommt, macht sein Christsein unglaubwürdig. Vgl. 1 Tim 3,2-5)
Außerdem müsse eine Frau laut Paulus ein Kopftuch tragen (eine anständige Frau trug bei den Griechen ein Kopftuch, bei uns betrachtet man eine Frau mit Kopftuch als Moslemin). Würde sie dies nicht tun, könne sie sich auch eine Glatze scheren lassen (1 Kor 11,5-7). Eine Frau ohne Kopftuch war nämlich für Griechen eine Prostituierte, während man Ehebrecherinnen die Haare abschnitt. Deshalb diese ironische Bemerkung des Apostels. Eine Frau ohne Kopftuch würde nicht nur eine Schande für die christliche Gemeinde sein, sondern auch für ihren Mann (V. 7 wörtlich: „die Frau aber ist die Ehre des Mannes"; d. h. sie wertet ihren Mann auf, wenn sie nicht schamlos lebt. Das kann man aber auch umgekehrt auf den Mann beziehen). Natürlich versucht Paulus seine Argumentationen theologisch zu begründen. Deshalb sehen manche Christen nicht, dass seine Aussagen auf eine bestimmte gesellschaftliche Situation bezogen ist, die heute nicht mehr besteht.
In Eph 5,22-25 geht es Paulus nicht darum, dass Männer ihre Frauen wie Tyrannen beherrschen dürfen. Der Apostel vergleicht das Verhältnis Mann-Frau mit dem Verhältnis Jesus-Gemeinde. Jesus aber diktiert die Gemeinde nicht, sondern liebt sie und gibt ihr deshalb sogar die Freiheit, sich gegen ihn zu entscheiden und ihn zu verlassen! Freiheit und Liebe gehören nämlich untrennbar zusammen und sind die beiden Seiten der gleichen Münze: Wer die eine Seite zerstört, macht auch die andere wertlos.
Wer also seinen Partner liebt, lässt ihm Freiheit. Im Deutschen bedeutet das Wort „freien": „lieben und schützen, aus Liebe unter seinen Schutz nehmen". Wer dem anderen aber keine Freiheit lässt, liebt ihn nicht wirklich, sondern wahrscheinlich nur sich selbst. Es geht ihm immer nur um das eigene Ich, die Befriedigung seiner eigenen Wünsche, das Durchsetzen des eigenen Willens. Da sind alle Liebesbeteuerungen nur leere Worte.
Nur wer sich frei für einen anderen entscheiden kann, kann auch echte und tiefe Liebe für ihn entwickeln. So erlebt es der Christ in seiner Beziehung zu Jesus. Wer immer nur den Kopf einziehen muss, wenn der andere gesprochen hat, kann seinen Partner nicht wirklich lieben. Seine Beziehung zum anderen ist eher von Angst und Furcht bestimmt. Egoismus auf der einen Seite und Angst auf der anderen sind jedoch keine Grundlage für eine glückliche Partnerschaft. Das wusste auch Paulus. Deshalb meint er hier nicht, was viele Männer aus diesem Text herauslesen (vgl. Gal 5,1: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! ... lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!" – im übertragenen Sinn gilt das auch für die zwischenmenschlichen Beziehungen; vgl. auch Gal 3,28: „...hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus").
Paulus gibt in Eph 5 Bedingungen dafür, dass Frauen sich ihren Männern unterordnen: Der Mann muss seine Frau lieben – wie Christus die Gemeinde liebt und wie er seinen eigenen Körper liebt – und er muss sich selbst für sie „opfern" (Vers 25, 28). Diese Voraussetzungen zeigen, dass es dem Apostel nicht um eine Herrschaft des Mannes über die Frau geht. Männer, die sich nicht voll und ganz für ihre Frau einsetzen und sie nicht wie Christus lieben – und damit auch Freiheit lassen – haben kein Recht zu fordern, dass sich ihre Frau ihnen unterordnen soll. Das macht auch schon Vers 21 klar, mit dem Paulus das Thema einleitet: „Ordnet euch einander unter ..." Demnach soll sich auch der Mann unterordnen. Christen wollen eben nicht herrschen, sondern dienen, denn auch Jesus – unser Vorbild – ist gekommen, um der Gemeinde zu dienen (Mt 20,25-28). Wenn Männer ihren Frauen aus Liebe dienen, können sich auch Frauen ihnen unterordnen.
Auch im Neuen Testament hatten Frauen trotz der Ratschläge des Paulus geistliche Ämter inne (Apg 21,9; 2 – Prophetinnen; 2 Joh 1 – die „erwählte Herrin" soll Bischöfin einer christlichen Gemeinde gewesen sein), meist aber nicht in Gemeinden, die in einem griechisch geprägten Umfeld lebten.
Weil die gesellschaftlichen Verhältnisse sich geändert haben, müssen wir heute die Aussage des Apostels betonen, dass kein Unterschied zwischen Mann und Frau besteht. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Paulus war also nicht frauenfeindlich. Theologisch war ihm klar, was damals aber gesellschaftlich nicht verwirklicht werden konnte, ohne das Christentum in Verruf zu bringen. In unserer westlichen Gesellschaft dagegen haben wir die Möglichkeit, dass Frau und Mann wieder gleichberechtigte Partner sein können – wie im Paradies.