Was ist mit 1. Petrus 3,18-22 gemeint?
Dieser Text muss von folgenden Voraussetzungen verstanden werden:
– Gott ist allein unsterblich (1 Tim 6,16)
– Der Mensch erhält die Unsterblichkeit erst bei der Wiederkunft Jesu (1 Kor 15,50–55)
– Die Folge der Sünde ist Tod, nicht ewiges Leben in einer Hölle (Röm 6,23)
– Ein Toter kann weder denken, noch fühlen, wollen oder handeln (Pred 9,5.6.10)
– Bis zur Auferstehung schlafen die Gestorbenen im Grab (Dan 12,1.2.13; Joh 5,28.29)
– Den Gestorbenen wird kein Evangelium verkündigt (Ps 88,12).
– Nach seinem Tod hat der Mensch keine erneute Entscheidungsmöglichkeit (Hbr 9.27).
Von diesen Bibeltexten her gesehen, kann Jesus nach seiner Kreuzigung nicht in der Hölle den Toten das Evangelium verkündigt haben. Überhaupt steht hier nichts von einer Hölle (griech. Gehenna = Tal Hinnom, Müllplatz vor der Stadt Jerusalem, in dem täglich aller Unrat verbrannt wurde; wird vom NT als Symbol für das Gericht Gottes am Ende der Welt verwendet). Es wird auch nicht vom Grab und Totenreich gesprochen (bei den Juden der Scheol = Familiengruft, in der man zu den Vätern versammelt wurde; entweder Höhle oder Grabhaus).
Verschiedene Texte wie Ps 88,12 sprechen davon, dass Toten – wenn sie also schon tot sind – nicht mehr gepredigt wird. Hbr 9,27 sagt, dass nach dem Tod nur noch das Gericht kommt und keine zweite Bekehrungschance.
Auch historisch gesehen, kann Petrus nichts anderes gemeint haben, weil ja die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele erst im dritten Jahrhundert in das Christentum eindrang. Sie wurde schließlich 1515 n. Chr. auf dem 5. Laterankonzil zur verbindlichen Glaubenslehre erhoben. Luther lehnte sie strikt als unbiblisch ab (Osterloh-Engelland, Bibl. Theol. Handwörterbuch zur Lutherbibel, Göttingen 1964, S. 626). Man darf nicht im Nachhinein etwas in die Bibel hineinlesen, was ihre Schreibern nicht vertraten.
Petrus will einfach nur sagen: Jesus hat durch den Heiligen Geist auch schon damals (z. Z. Noahs z. B.) den in Sünde Gefangenen (2 Tim 2,26; Jes 61,1.2) das Evangelium verkündigt. Aber die meisten haben nicht geglaubt. Evangelium ist also keine neue Sache; auch die Toten haben es gehört und zwar, als sie noch lebten (in Rut 1,8 wird ähnlich von Toten gesprochen; gemeint aber ist auch hier, als sie noch lebten). Manche von ihnen haben sich damals bekehrt, wurden aber trotzdem für ihr Vergehen bestraft (z. B. Hinrichtung eines Mörders, der aber seine Schuld bereut, und dem von Gott Vergebung zugesprochen wurde – 1 Ptr 4,6). Die Verkündigung der frohen Botschaft von der Erlösung ist also keine Sache des NT allein. Sie wurde auch schon zur Zeit des AT den Menschen gepredigt, die inzwischen schon tot sind.