War Jesus ein Essener?
„Die Theorie, Jesus sei ein Essener gewesen, entstand aus einem Theologenstreit zur Zeit der Reformation.“
Über die angebliche Essener-Mitgliedschaft Jesu wurden schon zahlreiche Bücher geschrieben. Kirchenvater Eusebius (260-339 n.Chr.) behauptete als Erster, die Essener seien frühchristliche Mönche gewesen. Dies wurde von den Reformatoren bestritten, weil sie das Mönchtum als unchristlich betrachteten. Die Essener waren für sie jüdische Mönche. Zur Verteidigung stellten daraufhin katholische Theologen die These auf, Jesus und die Apostel seien selbst Essener gewesen. Deswegen ist die Behauptung mancher Buchautoren abwegig, die katholische Kirche versuche die Jesus-Essener-These zu unterdrücken. Der Ursprung dieser Idee ist also ein Theologenstreit in der Zeit der Reformation, der aber nicht mit historischen und archäologischen Fakten geführt wurde.
Die These der katholischen Theologen wurde in der Aufklärung erneut verbreitet. Georg Wachter (1673-1757) betrachtete Jesus als Essener, der seine Fähigkeiten in Qumran erworben hatte. K. F. Bahrdt (1741-1792) behauptete, Jesus habe seine Kreuzigung selbst inszeniert, um den jüdischen Messiasgedanken zu zerstören. Durch die Heilkünste der Essener habe er dieses Martyrium überlebt.
Pfarrer K. H. G. Venturini (1768-1849) schrieb daraufhin den Roman Natürliche Geschichten des großen Propheten von Nazareth, in dem er die Essener-Theorie ausweitete. Esoterische Kreise und Freimaurer griffen seine Gedanken auf und verbreiteten sie weiter. Fast alle esoterischen „Evangelien" der Neuzeit lassen sich auf dieses Buch zurückführen. Ihre angeblich historischen Beweise gründen sich letztlich also auf einen Roman! Entgegen allen Behauptungen sind nämlich die großen Texte der Essener in der Zeit vor Christus geschrieben worden, wie Radiokarbontests der in Qumran gefundenen Handschriften beweisen.
Vergleicht man die Texte von Qumran mit den Aussagen Jesu im Neuen Testament, stellt man mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten fest. Die Essener waren beispielsweise gesetzesstrenger und asketischer als die Pharisäer! Die wenigen Gemeinsamkeiten sind aber nicht ungewöhnlich: Schließlich berufen sich Jesus und die Essener auf das Alte Testament. Waschungen und Tauchbäder zur Reinigung finden sich beispielsweise schon bei Mose und in den Geschichtsbüchern (vgl. 2. Könige 5,10-15). Die Vermutung, die Taufe des Johannes stamme von den Essenern, ist also haltlos.
Alle Versuche, durch die Essener-Theorie die zentrale Figur des christlichen Glaubens oder die Bibel zu demontieren, sind bisher gescheitert. Die erfüllten Prophezeiungen der Bibel zeigen uns, dass Gottes Wort die Wahrheit ist. Von Süchten und Schuldgefühlen befreite Menschen oder Wunder, die wir auch heute noch erleben können, bezeugen, dass Jesus lebt und der Herr ist. Das überzeugt mehr, als die Spekulationen verschiedener Autoren, die sich oft widersprechen und nicht einmal mit der historischen Forschung übereinstimmen.