Lässt Gott Menschen in einer Hölle ewig leiden?
„Der Gottlose erhält kein ewiges Leben, deshalb wird er auch nicht endlos leiden müssen.“
Viele Christen hatten schon mit Bibeltexten über die Hölle Probleme. Im Mittelalter begingen sensible Menschen sogar Selbstmord, weil sie das Bild des grausam strafenden „Herrgotts" nicht länger ertragen konnten. Heute dagegen zweifelt man an, dass Gott wirklich Liebe ist, wenn er Menschen ewig quält.
Wie soll man sich auch über das Leben auf der neuen Erde freuen können, wenn gleichzeitig Menschen, die man liebt, ohne Ende schrecklich leiden müssen? Wie kann ein liebender Gott kleine Kinder ewige Schmerzen ertragen lassen, nur weil ihre Eltern gottlos waren? Wie kann ein gerechter Gott einen Humanisten mit dem Höllenfeuer strafen, wenn er nur Gutes getan hat, aber nicht an ihn glaubte? Wie kann dieser Gott unsere Zuneigung erwarten, wenn er fordert: „Liebe mich oder ich werde dich ewig quälen!"? – Das sind Fragen, die immer wieder gestellt werden.
Die Ansicht, Gott würde Menschen ohne Ende in einer Hölle quälen, stimmt jedoch nicht mit verschiedenen Grundaussagen der Bibel überein:
Gott ist Liebe (1. Johannes 4,16). Deshalb passt die Theorie von der endlosen Qual nicht in das Gottesbild der Bibel.
Gott ist gerecht (Offenbarung 15,3.4). Deshalb kann er Menschen, die nicht an ihn geglaubt, aber anständig gelebt haben, nicht genauso wie Schwerverbrecher mit ewigen Schmerzen bestrafen.
Gott ist allein unsterblich (1. Timotheus 6,16). Demnach ist der Mensch kein unsterbliches Wesen, dass in alle Ewigkeit leiden muss (gläubige Menschen erhalten die Unsterblichkeit als Geschenk, wenn Christus wiederkommt; Gottlose erhalten kein ewiges Leben; vgl. 1. Korinther 15,50 ff.).
Die Folge der Sünde ist Tod (Röm 6,23), nicht ein ewiges Leben endloser Qual. Böse erleiden die ewige Strafe (Matthäus 25,46), nicht aber eine ewige Bestrafung. Die Strafe ist der Tod.
Die Gottlosen erleiden beim Weltgericht den zweiten Tod (Offenbarung 20,6). Sie werden von Feuer verzehrt (Vers 9).
Tote wissen, fühlen, wollen und tun nichts (Prediger 9,5.6.10). Demnach können sie auch nicht endlos leiden.
In Gottes neuer Welt wird es kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod geben (Offenbarung 21,1-5). Also befindet sich dort kein Ort ewiger Qual.
Das Gericht Gottes findet erst am Ende der Welt statt. Kein Mensch leidet heute schon in einer Hölle (2. Petrus 2,9; Matthäus 13,40-42; 25,31-46). Bis zum Gericht liegen die Menschen im Grab (Johannes 5,28.29). Die Bibel bezeichnet ihren Zustand als Schlaf (Johannes 11,11-14).
Wenden wir uns nun dem Begriff „Hölle" zu. Wir finden im Alten Testament kein Wort von einer Hölle. Dort wird nur vom Scheol gesprochen, dem Ort, an dem die Toten sich befinden (in Jesaja 14,9-20 und Hesekiel 32,18-23 wird in bildhafter Sprache der Scheol – hier mit Totenreich übersetzt – mit der Gruft – hebräisch Bor – gleichgesetzt). Bei den Israeliten war dies eine Höhle, ein Erdschacht oder ein Totenhaus, worin die Gebeine der verstorbenen Sippenangehörigen auf Bänken oder in Nischen lagen (hebräisch Qiberot, wird oft mit Grab, statt mit Grabkammer übersetzt). Man wurde also „zu den Vätern versammelt", wenn man starb. Die Schreiber des Neuen Testamentes verwendeten für diesen hebräischen Begriff das griechische Wort Hades, ohne ihm dabei den Inhalt griechischer Sagen zu geben. Auch dieses Wort hat nichts mit einer Feuerhölle zu tun, auch wenn Bibelübersetzer es manchmal so gesehen haben. – Gott lässt Menschen also nicht ab ihrer Todesstunde endlos leiden.
Nur zwei Begriffe der Bibel lassen scheinbar auf ein ewiges Feuer schließen: Gehenna und der feurige Pfuhl. Die Gehenna ist das südlich der Stadt Jerusalem liegende Tal Ben Hinnom (Gehenna, griechisch für das hebräische Ben Hinnom), in dem die Juden täglich ihren Müll und Unrat abluden und verbrannten. Es war für sie ein abscheulicher Ort: von Würmern zerfressener Unrat, Feuer und Gestank.
Diesen Müllplatz benutzten Jesaja (Jesaja 66,24) und Jesus (z. B. Matthäus 5,27-30) als Gleichnis für das Gericht Gottes. Jesus rief seine Zuhörer auf, die Sünde zu lassen, damit sie nicht auf dem „Müllplatz" vor der Stadtmauer Jerusalems landen. Natürlich verstanden sie sein Gleichnis sofort, während wir heute durch die Übersetzung „Hölle" ein falsches Bild erhalten.
Johannes verwendet in der Offenbarung den Begriff feuriger Pfuhl. Dieses Wort hat die Vorstellungen von der Hölle am meisten geprägt. Die Offenbarung wurde jedoch in Bildern geschrieben. Man darf sie nicht buchstäblich verstehen. Auch der feurige Pfuhl ist nur ein Bild. Deutlich wird dies in der Aussage, dass auch der Tod und sein Reich in den Pfuhl geworfen werden (Offenbarung 20,14).
Die Bilder feuriger Pfuhl und Gehenna meinen das Gleiche. Sie sind der außerhalb Jerusalems liegende Ort des brennenden Unrats. Dort wird alles Böse der Weltgeschichte vernichtet: alle gottlosen Menschen, Mächte und Organisationen (z. B. das Tier und der falsche Prophet – Bilder für Mächte), Satan mit seinen Dämonen und schließlich auch der Tod und das Grab – die großen Feinde des Lebens – werden am Ende der Zeit auf dem „Müllplatz der Geschichte" verbrannt. Die Welt wird damit für immer vom Bösen befreit. Das ist der zweite Tod (Offenbarung 20,14). Zahlreiche Texte zeigen, dass die Gottlosen am Tag des Gericht vernichtet werden und nichts mehr von ihnen bleibt (z. B. Jesaja 47,14; Maleachi 3,19.21; Psalm 37,2ff.; Psalm 145,20; Obadja 15.16; Offenbarung 20,9). Sie leiden also nicht ewig.
Oft entsteht der Einwand: Der feurige Pfuhl brenne doch „von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Offenbarung 20,10). – Hier scheint also ein Widerspruch zu den oben erwähnten Texten zu bestehen. Was meint Johannes mit diesem Ausdruck?
Im Griechischen steht hier das Wort Äon. In anderen Bibeltexten wird es mit Welt übersetzt (z. B. Galater 1,4 – Jesus errettet uns von dieser bösen Welt). Es kann auch Zeitalter bedeuten. – Luther übersetzte Offenbarung 20,10 jedoch mit von Ewigkeit zu Ewigkeit und bestärkte damit die Idee ewiger Qual, obwohl er die Lehre von der unsterblichen Seele für eine Teufelslehre hielt (Martin Luther, Assertio omnium articolorum, deutsche Ausgabe, 1520).
Wörtlich heißt es hier: „In die Äonen der Äonen." Dies ist ein typisch hebräischer Ausdruck, wie „Heiligtümer der Heiligtümer" (Hebräer 9,3). Damit ist das Allerheiligste gemeint, das Ziel des Heiligtumsdienstes – der Ort, an dem der Mensch vor dem Thron Gottes steht und endgültig Gerechtigkeit und Gnade erfährt. Genauso bedeutet „in die Äonen der Äonen" nicht absolute Endlosigkeit, denn auch Äonen haben einen Abschluss (Hebräer 9,26: Ende der Äonen). Wie beim Allerheiligsten meint dieser Ausdruck das Ziel der Äonen, wenn die Welt am Endpunkt der Sündengeschichte steht und nun Gottes Herrschaft anbricht. Im Reich Gottes gibt es aber keinen Ort des endlosen Leids. Es ist alles neu geworden (Offenbarung 21,3-5).