Darf man sich als Christ nach seinem Tod verbrennen lassen?

Viele Christen lehnen eine Feuerbestattung ab, obwohl sie dies biblisch nicht eindeutig begründen können. Für die Israeliten war sie jedenfalls eine schändliche Behandlung von Verstorbenen. Der Leichnam eines Menschen war für sie keine bloße Hülle, sondern der Mensch selbst, dem Gott nur den Lebensodem genommen hatte. Deshalb hielten sie die Toten in Ehren und achteten darauf, dass deren Körper möglichst unversehrt blieben. So wickelten sie die Verstorbenen zusammen mit wohlriechenden Kräutern und Ölen in Leinentücher (Joh 19,40) und bestatteten sie anschließend in Höhlen (1 Mo 23,19) oder in Felsen- und Erdschachtgräbern (Jes 22,16). Dort wurden die Leichname auf Bänke oder in Nischen gelegt. Arme Menschen begrub man auch oft nur in der Erde.

Das Alte Testament berichtet nur von einer Einäscherung, die nicht negativ beurteilt wird: Nachdem die Philister die Leichen von Saul und Jonathan geschändet hatten, verbrannten Männer aus Jabesch die Toten – wahrscheinlich, um sie von der heidnischen Verunreinigung zu läutern (1 Sam 31,12.13; Luther übersetzt hier mit „salben“). Anschließend begruben sie jedoch die Gebeine von Saul und Jonathan in würdiger Form.

Nur die Leichen von Schwerverbrechern und Gotteslästerern wurden bei den Israeliten verbrannt (Jos 7,25). Diese Einäscherung galt als Zeichen der Strafe und des Gerichts. Nachdem nämlich die Städte Sodom und Gomorra wegen ihrer Laster durch ein vom Himmel fallendes Feuer vernichtet worden waren, sahen die Menschen damals im Verbrennen durch Feuer ein Zeichen des Gerichtes Gottes (1 Mo 19,24.25; vgl. auch Offb 20,9).

Die christliche Gemeinde übernahm diese Haltung und lehnte gleicherweise die Feuerbestattung ab. Im Körper sah sie einen Tempel des Heiligen Geistes, der zwar verwest, aber durch Christus zu neuem Leben erweckt wird (vgl. 1 Kor 15,42-44). Das unterschied sie auch von anderen Völkern, bei denen die Einäscherung üblich und zeitweise auch Zwang war. – Weil die Christen an die „Auferstehung des Leibes“ glaubten, versuchten ihre Verfolger in den ersten Jahrhunderten, die Auferstehung zu verhindern, indem sie die Leichen von gemarterten Christen ins Feuer warfen. Doch die Verfolgten waren der festen Überzeugung: Die Einäscherung eines Menschen kann seine Auferweckung durch Jesus keineswegs verhindern.

Bis zur Aufhebung der Inquisition Anfang des 19. Jahrhunderts sah die katholische Kirche in der Verbrennung von Menschen eine von Gott gewollte Bestrafung von Ketzern, Hexen und ruchlosen Leuten. Auch aus diesen Gründen lehnte sie die Feuerbestattung ab, als man sie nach der Französischen Revolution wieder einführte. Die Kirche sah darin außerdem einen Angriff auf den christlichen Glauben, der den „Aberglauben an die Auferstehung des Leibes“ ausrotten solle.

Wir finden nun in der Bibel kein direktes Verbot einer Feuerbestattung oder eine deutlich formulierte Abwertung als „heidnisch“ oder „unmoralisch“. Wer aber die gleiche Einstellung gegenüber Verstorbenen wie die Israeliten oder die ersten Christen hat, wird eine Einäscherung wahrscheinlich gefühlsmäßig ablehnen.