Bei seiner Kreuzigung sagt Jesus zu einem der beiden Übeltäter, die mit ihm gekreuzigt wurden, dass er noch am selben Tage mit ihm im Pardies sein werde(z. B. Lukas Kapitel 23, Verse 40-43). Wie geht das, wenn der Mensch keine unsterbliche Seele hat?
Dass bei der Argumentation für eine unsterbliche Seele in Bezug auf Lukas 23, 39–43 etwas nicht stimmen kann, wird durch Joh 20,17 deutlich. Dort sagt der auferstandene Jesus zu Maria:„Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater." Also kann er nach seinem Tod nicht im Paradies gewesen sein und damit auch nicht der Schächer. Um Jesu Aussage zu erklären, muss ich etwas vorausschicken. Ursprünglich wurde der biblische Text ohne Zeichensetzung geschrieben. Diese Satzzeichen wurden erst 1490 n. Chr. durch den katholischen Schriftsetzer Manucius aus Genua, Italien, in den griechischen Text eingefügt. Weil er Katholik war, hat er natürlich auch das Konzept der unsterblichen Seele vertreten. In Lk 23,43 führte seine Zeichensetzung deshalb auch zu einem falschen Verständnis, das bis in unsere Zeit nicht revidiert wurde, obwohl zahlreiche Theologen dies gefordert haben.
Satzzeichen können den Sinn einer Aussage vollständig verändern (Beispiel: Der Lehrer sagt, der Schüler sei dumm. Der Lehrer, sagt der Schüler, sei dumm). Übertragen wir dies nun auf unseren Bibeltext und schreiben ihn wörtlich und ohne Zeichensetzung auf, genauso, wie Lukas ihn geschrieben hat:
„Amen dir sage ich heute mit mir wirst du sein in dem Paradies."
Lesen Sie den Text ruhig einmal laut und fragen sich dabei, wo nach Ihrem Verständnis das Komma gesetzt werden muss. Für mich ist es eindeutig, dass das Komma nach dem Wort Amen und heute gesetzt werden muss: „Amen, dir sage ich heute, mit mir wirst du sein in dem Paradies." Eine andere Zeichensetzung würde außerdem den anderen Aussagen der Bibel widersprechen, dass Jesu nämlich erst nach seiner Auferstehung in den Himmel gefahren ist, und dass die Gläubigen erst bei seiner Wiederkunft in das „Haus des Vaters" aufgenommen werden (Joh 11,24; 14,1–3).
Bei den Hebräern war es übrigens üblich, ein Versprechen dadurch zu bekräftigen, dass man den Tag betonte (also „heute"), an dem es gegeben wurde (5 Mo 4,26; 8,19; 15,15; Sach 9,12): „Amen, ich sage dir heute, du wirst mit mir im Paradies sein". Das sehen auch verschiedene Theologen und Übersetzer so: „Die jetzt übliche Interpunktion dieser Stelle ist ohne allen Zweifel falsch und widerspricht der ganzen Denkweise Christi und des Schächers ... Der Ausdruck ich sage dir heute entspricht auch ganz der hebräischen Sprechweise, wie viele Stellen des Alten Testamentes beweisen" (L. Reinhard, Das Neue Testament, Verlag Ernst Reinhardt, München 1910, S. 139). Deshalb übersetzt auch die Konkordante Bibel wörtlich: „Wahrlich, dir sage ich heute: Mit mir wirst du sein im Paradies."
Es ist außerdem wichtig, dass wir bei dieser Frage die Gesamtaussage der Bibel sehen: Wie schildert die Bibel den Zustand der Toten? Wann werden wir zu Jesus gehen? Wo befinden wir uns bis dahin? Wann erhalten wir Unsterblichkeit? Für diese Fragen gibt es es viele eindeutige Aussagen in der Bibel (Lehraussagen), während die Texte - auf den die Argumentation für eine unsterbliche Seele aufgebaut sind - zweideutig sind (es geht in diesen nicht um Lehraussagen über den Zustand des Menschen im Tod, sondern um etwas anderes; die Unsterblichkeitslehre wird also nur in diese hineininterpretiert). In unserem kostenlosen Grundkurs zur Bibel gehen wir auf alle diese Texte ein.
Michael M. aus Salzgitter