Gibt es in der Bibel Prophezeiungen, die sich nicht erfüllen?

„Prophezeiungen, die von Bedingungen abhängen, die nicht eingehalten wurden, erfüllen sich im übertragenen Sinn.“

In der Schilderung der Zukunft des Volkes Israel hat Gott oft zwei Möglichkeiten offen gelassen, die von der Entscheidung des Volkes abhingen (z. B. 5. Mose 28). Deshalb nennt man diese Weissagungen Prophetie, die von Bedingungen abhängt. Ein Großteil dieser Prophezeiungen konnte nicht wörtlich eintreffen, weil Israel als Nation Jesus von Nazareth nicht als Messias anerkannte. Damit sind diese jedoch nicht ungültig geworden, sondern sie werden sich im übertragenen Sinn erfüllen. Dafür finden wir im Neuen Testament einige Hinweise.

Bei Jesu Geburt wären beispielsweise nicht nur die heidnischen Weisen zur Anbetung nach Bethlehem gereist, sondern auch die Schriftgelehrten und Priester, die den Geburtsort des Messias genau kannten. Trotzdem hätte Herodes den Kindermord durchgeführt. Die Predigt des Johannes hätte zu einem geistlichen Aufbruch des Volkes geführt, wenn sich die geistliche Elite spätestens zu diesem Zeitpunkt bekehrt hätte. Jesu Botschaft wäre auf fruchtbaren Boden gefallen und hätte zur Reformation Israels geführt. Jesus wäre ihr geistlicher König geworden, hinter dem fast das gesamte Volk gestanden hätte.

Dies wäre für die Römer ein Anlass gewesen, Jesus als Rebellen und König der Juden zu kreuzigen. Das Volk wäre dadurch in eine tiefe Krise geraten. Die Auferstehung Jesu aber hätte nicht nur eine Handvoll Jünger erlebt, sondern das ganze Volk. Alle diese Menschen wären als Missionare losgezogen, um Christus zu verkündigen, während in Palästina ein Reich der Nächstenliebe entstanden wäre, auf dem der Segen Gottes geruht hätte.

Daraufhin hätten die Römer mit ihren Verbündeten Jerusalem angegriffen (in Hesekiel 38 werden diese Völker Gog und Magog genannt), um diese Gefahr für das römische Kaiserreich zu beseitigen. Aber Jesus hätte wie in den Zeiten des Alten Testamentes eingegriffen und die Angreifer vernichtet. Danach hätte Israel unter der Führung des Heiligen Geistes das Reich der Nächstenliebe weiter über die Welt ausgebreitet, sodass ihre ehemaligen Feinde ihre Götzen zerschlagen hätten, um Israels Gott in Jerusalem anzubeten. Obwohl immer noch Sünde, Unrecht und Gewalt auf der Welt geherrscht hätten (weil Gott keine Zwangsbekehrung will), wäre sie paradiesischer, als sie heute ist. Diese Welt wäre ein Vorbild auf die neue Erde gewesen.

Weil sich jedoch die meisten Juden gegen Jesus entschieden hatten, wurde Jerusalem von Rom zerstört. Alle Verheißungen des Alten Testamentes gingen nun auf das geistliche Israel über (Matthäus 21,43), dass aus Juden und Heiden besteht (Johannes 10,16; Römer 11,17-24 – nicht die Rasse, sondern der Glaube bestimmt ab jetzt über die Zugehörigkeit zu Israel).

Die alttestamentlichen Weissagungen, die von Bedingungen abhängen, werden damit nicht ungültig. Sie erfüllen sich nun im übertragenen Sinn. Man darf also diese Weissagungen nicht einfach auf das heutige, politische Israel beziehen. Schließlich ist die Wiederherstellung Israels an die Bedingung geknüpft, dass sich das Volk zu Gott bekehrt (5. Mose 30,1-5).

Die Prophezeiungen des Alten Testamentes beziehen sich zwar immer noch auf Israel, aber dieses Volk hat sich verändert. Es geht nicht allein um Nachkommen Abrahams, sondern um seine geistlichen Nachkommen – um Menschen, die glauben und Jesus als Messias bekennen, egal ob sie Juden oder Heiden sind.

Deshalb verändert sich auch die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiung. Dies zeigt unter anderem das letzte Buch der Bibel: Gog und Magog aus Hesekiel sind beispielsweise nicht mehr historische Völker, die Jerusalem in Palästina angreifen, sondern sie sind laut Offenbarung 20 ein Bild für alle Gottlosen aller Zeiten, die nach den 1000 Jahren das neue Jerusalem (das laut Offenbarung 21,2 vom Himmel herabgekommen ist) stürmen wollen (Offenbarung 20,7-9).

Diese Übertragungen alttestamentlicher Prophezeiungen auf das neutestamentliche Israel zeigt, dass Gott seine Zusagen einhält, auch wenn sich die Haltung der Menschen oder die Situation seines Volkes verändert hat.