Hatte Gott Angst davor, dass der Mensch göttlich werden könnte?

Im Bericht über den Sündenfall des Menschen wird geschildert (1 Mo 3,1–5), wie der Widersacher Gottes durch kritische Anfragen und Zweifel den Eindruck erweckt, dass der Schöpfer eifersüchtig über sein Gottsein wache. Er habe Angst um den Verlust seiner Vormachtstellung, fürchte die steigende Intelligenz des Menschen und wolle deshalb dessen Aufwärtsentwicklung (Evolution) verhindern. Das ist jedoch eine Verzerrung der Absichten des Schöpfers.

Gott schuf den Menschen als ein vollkommenes Wesen. Dem Menschen fehlte nur eins: Die Neigung zum Bösen, die mit dem Wissen um Gut und Böse entstand. Die Kenntnis der Sünde gab dem Menschen jedoch keine göttliche Macht. Sie ließ ihn nur machtsüchtig werden. Göttliche Macht zeigt sich in der Erschaffung und Erhaltung des Lebens. Die Sünde aber machte den Menschen zum Zerstörer des Lebens. Er wurde nicht göttlich, sondern ein Sklave des Bösen.

Schon bald musste der Mensch erkennen, wie sehr er betrogen worden war. Seine Autonomie (ich selbst bestimme, was recht und richtig ist) machte ihn nicht göttlich. Er wurde vielmehr zu einem Unheilstifter. Schuldgefühle, Depressionen, Angst oder Wutgefühle waren Preis des Ungehorsams. Die versprochene Evolution erwies sich als Trugbild. Degenerative Missbildungen, Krankheiten und Tod begleiteten den Menschen von der Wiege bis zum letzten Atemzug.

Deshalb begann er sich an den Gedanken zu klammern, dass sein innerster Persönlichkeitskern (Seele) göttlich und damit unsterblich sei. Aber schon der Baum des Lebens sollte ihm bewusst machen, dass es abseits von Gott kein Leben gibt. Gott ist allein unsterblich (1 Tim 6,16)! Jede Trennung von ihm, der das Leben gibt und erhält, führt automatisch zum Tod. Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis waren also zwei Symbole, an denen Gott dem Menschen deutlich machen wollte, dass er nur in Abhängigkeit von seinem Schöpfer vollkommen bleiben und ewig leben konnte.

Hätte Gott tatsächlich eine Aufwärtsentwicklung des Menschen bis zur Göttlichkeit eifersüchtig gefürchtet, hätte er ihm mit Sicherheit keinen freien Willen geschenkt und keine Möglichkeit (den Baum der Erkenntnis) geschaffen, sich gegen ihn zu entscheiden. Gerade diese Möglichkeit zeigt die Liebe Gottes. Liebe und Freiheit sind nicht voneinander zu trennen. Wer liebt, lässt dem anderen sogar die Möglichkeit, sich gegen ihn zu entscheiden. Wer den anderen versklavt, um ihn zu halten, liebt ihn nicht wirklich, sondern ist eifersüchtig und machtbesessen. Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen war also ein Zeichen der Liebe Gottes und ein Test der Treue und Liebe des Menschen.

Der Mensch ließ sich jedoch verführen und wollte wie Gott werden, und noch immer versucht er es. Aber sein Bemühen ist zum Scheitern verurteilt. Er bleibt ein Kind des Todes. Um ihn aus seiner Hoffnungslosigkeit zu befreien, entschloss sich Gott, Mensch zu werden, das Scheitern des Menschen auf sich zu nehmen und ihn zur Vollkommenheit zurückzuführen. Gerade deshalb kam Christus auf die Erde.