Musste Judas Iskariot Jesus verraten, und ist er nun in der Hölle?

Die Bibel sagt nicht, ob Judas wegen seines Verrats nun zu den Verlorenen gehört. Wir können es nur aus den geschilderten Ereignissen vermuten. Manche Christen meinen, dass er sich nun in der Hölle befindet. Doch das steht im Widerspruch zur Bibel. Es gibt keinen Ort ewiger Qual, an dem sich jetzt schon Menschen befinden. Jesus hat ganz deutlich gezeigt, dass das Gericht erst am Ende der Welt stattfindet. Außerdem wird der Gottlose nicht mit einem ewigen Leben in endloser Qual bestraft, sondern mit dem ewigen Tod. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen darüber ausführlicher schreiben.

Auch Petrus hat Jesus verraten, indem er ihn dreimal verleugnete. Er weinte deswegen bitterlich, aber er erhängte sich nicht, wie Judas es tat. Er war bereit, Verantwortung für sein falsches Verhalten zu übernehmen. Judas dagegen machte seinem Leben ein Ende. Vielleicht bereute er nicht so sehr sein Verhalten – das hatte er ja genau durchdacht und geplant –, sondern vielmehr die Folgen davon. Geld reizte ihn ja schon immer, aber wahrscheinlich war auch das nicht der eigentliche Grund für seinen Verrat, denn die Summe war nicht so hoch. Möglicherweise wollte Judas Jesus durch seinen Verrat zwingen, sich als König und Herrscher zu offenbaren. Als er aber sah, dass Jesus sich gefangen nehmen und zum Tode verurteilen ließ, war sein Plan gescheitert. Das trieb ihn zur Verzweiflung.

Wenn er wirklich bereut hätte, hätte er vielleicht versucht, Jesus – spätestens am Kreuz – um Vergebung zu bitten. Ich bin mir sicher, Jesus hätte ihm vergeben. Schließlich bat er auch um Vergebung für seine Henker und die umher stehenden Spötter. Jesus hat ja Judas bis zum Schluss geliebt, und obwohl er wusste, dass er von ihm verraten würde, hat er noch mit ihm das Abendmahl gefeiert. Solange Menschen ihr Verhalten bereuen und Gott um Vergebung bitten, ist er ihnen gnädig und vergibt ihnen. Judas hatte also eine Chance. Ob er sie genutzt hat, wissen wir nicht. Vielleicht war sein letzter Atemzug, als er sich erhängt hatte, ein Stoßgebet: „Vater vergib mir!"

Wichtig ist noch, dass sein Verrat zwar vorausgesagt, nicht aber von Gott vorherbestimmt wurde. Voraussagen bedeutet, dass man weiß, wie sich die Ereignisse in der Zukunft entwickeln werden. Vorherbestimmen dagegen bedeutet, dass man die Ereignisse im voraus festlegt. Es gibt zwar Dinge, die Gott vorherbestimmt hat, wie z. B. die Zeit der Geburt Jesu (Gal 4,4) oder den Zeitpunkt des Gerichtes (Apg 17,31). Aber das heißt nicht, dass er alles festgelegt hat. Er möchte beispielsweise, dass alle Menschen errettet werden, aber er überlässt es der freien Entscheidung des einzelnen Menschen, ob er sein Angebot annimmt. Liebe und Freiheit sind nämlich nicht voneinander zu trennen. Sie sind wie die beiden Seiten der gleichen Münze. Wer eine Seite zerstört, vernichtet die ganze Münze. Wäre der Mensch kein freies Wesen, könnte er also nicht lieben. Roboter gehorchen nur den ihnen eingegebenen Gesetzen oder Programmen. Deshalb sind sie nicht zur Liebe fähig. Gott will, dass wir ihn lieben können. Deswegen hat er es unserer Wahl überlassen, ob wir errettet werden wollen.

So hat er auch Judas die Wahl gelassen, zum Verräter zu werden oder Jesus treu zu bleiben, und er hat ihm die Wahl gelassen, ohne Sinnesänderung in den Tod zu gehen oder wie Petrus um Vergebung zu bitten. Ob das Letztere doch noch getan hat, darüber können wir nur spekulieren.

Ute M. aus Wiesbaden