Wie kann das Evangelium eine frohe Botschaft sein, wenn es vom Gericht spricht?

„Das Evangelium ist nur für denjenigen eine frohe Botschaft, der Gott antwortet und sein Geschenk der Erlösung und des ewigen Lebens annimmt.“

Menschen fordern immer wieder, dass Gott eingreifen müsse, um die Bösen zu bestrafen. Und weil er es nicht sofort tut, stellen sie seine Liebe in Frage. Wenn er aber in der Bibel ankündigt, dass er am Ende der Welt Gericht halten wird, stellen sie seine Liebe wiederum in Frage. Man kann es uns Menschen anscheinend nie recht machen.

Gott ist aber laut Bibel beides: Gerechtigkeit und Liebe. Deshalb zieht er uns nicht sofort zur Rechenschaft, wenn wir einen Menschen mit unseren Worten verletzen. Wenn wir unehrlich sind und Beziehungen zerstören. Wenn wir uns nicht beherrschen können oder Vertrauen missbrauchen. Und dann sind da noch die schwerwiegenden Vergehen: Gemeinheiten, Bosheit, Diebstahl, Ehebruch oder sogar Mord und Totschlag. Gott lässt also die erhobene Faust des Ehemannes nicht erstarren, weil er ihm die Möglichkeit der Einsicht und Umkehr schenken will.

Zur Rechenschaft zieht er uns Menschen letztlich erst am Ende der Welt. Bis dahin bietet er an, uns die Schuld abzunehmen, weil er selbst dafür gebüßt hat. So steht Jesus – unser Schöpfer (Joh 1,2; Kol 1,16) – für seine Geschöpfe persönlich gerade, wenn sie dies wollen und annehmen. Leider tun dies eben nur wenige.

Das Evangelium ist also nur für denjenigen eine frohe Botschaft, der Gott antwortet und sein Geschenk der Erlösung und des ewigen Lebens annimmt. Mit diesem Angebot wird aber auch eine Trennlinie gezogen: Wer es ablehnt, dem bleibt nur der Tod, denn der Mensch hat in sich kein ewiges Leben. Und wer Vergebung ablehnt, der muss für sein Verhalten selbst gerade stehen und dafür Verantwortung übernehmen. Das ist für ihn zwar eine schlechte Nachricht, für andere aber auch eine gute, weil ihnen von diesen Menschen Unrecht getan wurde und sie nach Gerechtigkeit rufen.

Wenn z. B. die Tochter oder Frau eines Mannes vergewaltigt und umgebracht worden wäre, und der Täter würde nach 15 Jahren wegen guter Führung freigelassen, würde der Mann nicht in seinem Gerechtigkeitsempfinden aufbegehren? Brächte der Täter daraufhin noch ein weiteres Kind um und setzte sich anschließend ins Ausland ab, würde der Mann nicht bei Gott nach Gerechtigkeit rufen? – Wie viele von ihren Vätern und Brüdern missbrauchte Mädchen und Frauen rufen nach Gerechtigkeit?! Und die Millionen Gefolterten, Verbrannten, Vergasten, Ermordeten, sie alle haben ein Recht darauf, dass Gott sich ihrer Sache annimmt.

Das Gericht ist also für alle eine gute Botschaft, die nach Gerechtigkeit rufen. Denn dieses Gericht ist nicht gegen sie, sondern für sie. Man hat sie verachtet und erniedrigt, bis sie jede Selbstachtung verloren haben. Man hat ihnen den Glauben oder sogar ihr Menschsein abgesprochen. Man hat sie benutzt und weggeworfen. Man hat ihre Unbeschwertheit und Lebensfreude zerstört, bis sie nicht einmal mehr glaubten, dass Gott sie liebt. Gericht und Gerechtigkeit bedeuten für sie nicht einfach nur Genugtuung, sondern auch Heilung ihrer verletzten Gefühle, sodass sie ihre dunkle Welt hinter sich lassen können. Gott macht ihr Leben wieder „richtig" und spricht sie gerecht. Auch das ist Gericht.