Johannes sieht in der Offenbarung die Seelen der Märtyrer. Beweist dies nicht, dass der Mensch eine unsterbliche Seele hat?

"Der Begriff 'Seele' in der Bibel hat viele verschiedene Bedeutungen, steht jedoch nicht für einen unsterblichen Persönlichkeitskern des Menschen."

Viele Worte in unserer Sprache haben mehrere Bedeutungen. So kann „Bauer" beispielsweise den Landwirt, die Spielkarte, die Schachfigur und das Versandhaus bezeichnen oder eine Beleidigung sein. Was gemeint ist, zeigt uns meistens erst der Zusammenhang, in dem dieses Wort gebraucht wird.Auch das Wort „Seele" hat in der Bibel verschiedene Bedeutungen, die wir klar unterscheiden müssen (die folgenden Bibeltexte müssen in einer möglichst wörtlichen Übersetzung oder einer alten Lutherbibel gelesen werden):

– Atem (Hiob 41,13)

– Duft (Jes 3,20 Fläschchen der Seele)

– Lebewesen (1 Mo 2,7; 4 Mo 31,28 auch Tiere sind Seelen; 1 Mo 12,5; Hes 27,13 Kaufen und Verkaufen von Seelen)

– Leben, wobei Blut als Lebensträger galt (5 Mo 12,23 Seelen dürfen nicht gegessen werden)

– Lebensfunktionen (Spr 25,25; 27,7 die Seele kann hungrig und durstig sein),

– Gemüt und Herz als Sitz von Denken, Wollen und Fühlen (1 Sam 30,6 die Seele ist erbittert; Rich 16,16 die Seele ist sterbensmatt; 1 Mo 34,3 die Seele hängt an einem Mädchen; Apg 4,32 ein Herz und eine Seele sein; Spr 19,2 mit Seele handeln)

– Personalpronomen: Ich, Du ... (Hiob 16,4 siehe auch Texte wie „Meine Seele lobe ...")

– Tote (Hes 18,4.20; Offb 16,3 Seelen müssen sterben; 4 Mo 5,2; 6,6 zu keiner toten Seele gehen oder an ihnen unrein werden)

Niemals aber bedeutet der Begriff „Seele" in der Bibel ein unsterblicher Persönlichkeitskern, weil Gott allein unsterblich ist (1 Tim 6,16), weil alle geistig-seelischen Funktionen des Menschen bei seinem Sterben enden (Pred 9,5.6.10) und weil die Folge der Sünde der Tod ist (1 Mo 2,17; Röm 6,23), nicht aber ein ewiges Leben in einer anderen Daseinsform.

Es ist interessant, dass die meisten Bibelübersetzer den Begriff „Seele" mit Leben, Lebewesen, Mensch, Tier, Sklave, Gefühl, Blut, Atem oder dem Personalpronomen übersetzen, wo es der Unsterblichkeitslehre widersprechen würde, wenn dort „Seele" stünde, aber dort, wo es diese Theorie zu stützen scheint, es mit „Seele" übersetzen:

Hes 18,20 – welche Seele sündigt, die soll sterben

Offb 16,3 – alle lebendigen Seelen starben im Meer

1 Mo 12,13 – und meine Seele am Leben bleibe

3 Mo 17,15 – welche Seele ein Aas isst

4 Mo 23,10 – meine Seele möge sterben den Tod der Gerechten (auch die gerechten „Seelen" müssen also sterben)

5 Mo 24,7 – wenn jemand eine Seele stiehlt und versetzt ...

Auch Johannes versteht unter den Seelen der Märtyrer keine unsterblichen Geister, denn er schreibt, dass sie „lebendig wurden" (Offb 20,4). Sie waren also bis dahin tot! Auch in anderen Versen bezeichnet der Apostel mit „Seele" den ganzen Menschen oder Lebewesen (Offb 16,3 alle lebendigen Seelen sterben; Offb 18,13.14 Seelen werden verkauft oder essen gerne Obst).

Der Begriff „Seele" meint also nicht etwas Unsterbliches im Menschen. Auch der Lebensodem Gottes, den Adam erhielt (1 Mo 2,7) und der nach dem Tode des Menschen wieder zu Gott zurückgeht (Pred12,7; 3,19.20), ist kein unsterblicher Persönlichkeitskern des Menschen, sondern die Lebenskraft Gottes: „Nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub" (Ps 104,29.30 nicht ihre Körper, sondern sie werden Staub).