„Wir stehen nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.“ – Was heißt das?

Das Evangelium von der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade wurde von manchen Zeitgenossen Martin Luthers gründlich missverstanden: Weil sie nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stünden, wären die Zehn Gebote nun hinfällig. Schon Luther bekämpfte solche Behauptungen mit scharfer Feder.

In seinem Brief an die Römer beschäftigt sich Paulus mit den Grundlagen des Evangeliums. Er zeigt, dass jeder Mensch durch die Gnade Gottes von Sünde und Tod errettet wird, wenn er Jesus vertraut. Leistungen und ein guter Charakter befreien uns dagegen nicht von unserer Schuld.

Ab Kapitel 6 geht es ihm um die praktischen Auswirkungen der Gnade Gottes im Alltag des Christen. Hier wird Paulus manchmal falsch verstanden. Schon damals rissen seine Gegner Sätze aus dem Zusammenhang. Kaum hat er gesagt: „Wir sind nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (Röm 6,14), fragen sie sofort: „Wie nun? Sollen wir sündigen, wenn wir nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind?“ (Vers 15)

Paulus antwortet darauf: „Auf keinen Fall! Es geht hier nicht um die Gültigkeit von Gottes Geboten, sondern um die Versklavung und Befreiung des Menschen. Ihr habt doch nur zwei Möglichkeiten. Entweder seid ihr Knechte der Sünde – dann müsst ihr sterben. Oder ihr seid Knechte der Gerechtigkeit – dann werdet ihr leben! Wenn ihr Christus zu eurem Herrn gemacht habt, seid ihr frei von dem Zwang der Sünde und ihren Folgen.“ Und er fährt in Vers 17 fort: „Ihr seid nun von Herzen gehorsam geworden!“

Wer durch Christus von der Herrschaft der Sünde befreit wurde, gehorcht also Gott von ganzem Herzen. Sein Wille ist für ihn kein Zwang mehr. Es macht ihm vielmehr Freude, Gott zu folgen! Was bedeutet dann aber die Aussage: „Wir sind nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“?

Ursprünglich lebte der Mensch in Harmonie mit Gott. Doch dann sagte er sich von ihm los. Seitdem steht er unter dem Gesetz, das ihn anklagt: „Du bist ungehorsam gewesen. Deshalb wirst du von der Sünde versklavt und musst sterben.“

Aber nun kommt das Entscheidende: Gott liebt uns. Er ist uns gnädig und überlässt uns nicht dem Bösen und dem Tod. Deshalb kam Jesus zu uns. Er nahm unsere Schuld auf sich, stellte sich damit unter die Anklage des Gesetzes und starb den Tod, den wir verdient haben. Deshalb spricht uns Gott von aller Schuld frei! Sie ist weg, vergeben und vergessen. Wir stehen also nicht mehr unter der Anklage des Gesetzes, sondern unter dem Freispruch der Gnade Gottes. Doch dabei bleibt es nicht. Gott schenkt uns durch den Heiligen Geist auch die Kraft, seinem Willen zu gehorchen. Und aus Liebe zu ihm wollen wir dies auch tun.

Wer also Gott ungehorsam ist, steht unter dem Gesetz. Es klagt ihn an. Aber weil Gott uns liebt, begnadigt er uns und spricht uns frei. Deshalb wollen wir ihm aus Liebe und Dankbarkeit folgen. Doch nur durch die Erlösung, die Christus uns schenkt, kann dieser Wille Gottes in unserem Leben Wirklichkeit werden.